Chinesische Touristen und das richtige Pferd im Jahr des Tigers
Interview mit Prof. Dr. Wolfgang Georg Arlt, CEO des China Outbound Tourism Research Institute COTRI über die richtige Vorbereitung auf die Rückkehr chinesischer Touristen
Das komplette Interview können Sie [hier] hören. Dies ist Teil 2 des Interviews. Hier geht es zu Teil 1
Chinesische Touristen fehlen nicht nur der deutschen Tourismus-Industrie. Das Ausbleiben der Reisenden aus dem Reich der Mitte ist ein weltweites Incoming Branchen-Problem. China ist der größte Quellmarkt der Welt und verschließt sich seit Ausbruch der Pandemie. Wann das Land die Tore wieder öffnet, kann derzeit niemand voraussagen. Der Osten ist nicht nur Rot, er ist zur Zeit vor allem dunkel.
Aber: Auch wenn Covid-19 die Tourismus-Industrie noch immer weltweit lähmt, die Omikron-Variante sich zur Zeit auch in China ausbreitet und mit Blick auf die Wirksamkeit chinesischer Vakzine als Schutz gegen die neue Virus-Variante noch vieles im Unklaren liegt, ist eines klar: Irgendwann wird die Pandemie weichen und auch China die Tore wieder öffnen.
Auch wenn sich der wirtschaftliche Motor der Volksrepublik nicht mehr ganz so schwungvoll dreht: Der Wunsch der Chinesinnen und Chinesen, wieder ins Ausland zu verreisen, ist ungebrochen, und er wird sich Bahn brechen, sobald es wieder möglich ist. Der Tiger wird erwachen, nicht zum Neujahrsfest am 1. Februar, wenn das Jahr des Tigers beginnt, auch nicht zu den Olympischen Winterspielen, aber irgendwann in diesem Jahr: Dann wird es wieder hell im Osten. und jene 10 Prozent der chinesischen Bevölkerung, die einen Reisepass besitzen, werden diesen nutzen. Sie werden auch wieder nach Europa kommen, auch nach Deutschland, irgendwann.
Zum Nachhören – Prof. Arlt im Podcast Interview:
Chinesische Touristen: Verändertes Reiseverhalten
Die deutsche Tourismus-Industrie sollte sich schon jetzt auf chinesische Touristen vorbereiten, und zwar rechtzeitig. Das mahnt Prof. Dr. Wolfgang Georg Arlt, Gründer und CEO des China Outbound Tourism Research Institute COTRI und Fellow of the Royal Geographical Society im Interview an: Das Reiseverhalten chinesischer Touristen habe sich in den vergangenen Jahren nicht nur sehr verändert, es werde sich durch die Pandemie noch weiter verändern.
Das zeigen Trends, die sich zur Zeit im chinesischen Inlandstourismus erkennen lassen: Weniger Shopping, mehr authentische Erlebnisse, zum Beispiel. Weg von traditionellen Gruppenreisen in Bussen, die drei Länder in vier Tagen durchkreuzen, hin zu Kleingruppenreisen mit der Familie oder individuell organisierte Reisen mit Freunden. Die Interessen chinesischer Touristen haben sich verschoben: Persönliche Kontakte, Kultur und Bildung, Natur, Gesundheit und auch gutes Essen / Fine Dining sind für chinesische Touristen wichtiger geworden. Hier liegen die Chancen touristischer Anbieter, Verbände, Organisationen, vor allem aber auch kleinerer, im chinesischen Bewußtsein unbekannterer Destinationen.
Chinesische Touristen: Ankunftszahlen – das falsche Pferd?
Die Frage ist: Stellen sich deutsche Tourismus-Verbände, -Organisationen und Destinationen rechtzeitig darauf ein? Und setzen Tourismus-Verantwortliche aufs richtige Pferd, wenn sie sich beispielsweise nur die Ankunftszahlen ausländischer Reisender anschauen, ohne diese weiter zu hinterfragen: Zum Beispiel die Länge des Aufenthalts, wieviel mit den Reisenden verdient wird, mit welchem Eindruck die Gäste in ihre Heimat zurückkehren und ob sie mit den hiesigen Angeboten überhaupt zufrieden sind?
Ein Beispiel aus den „Market Insights“ der Deutschen Zentrale für Tourismus, DZT: 2019 habe man in Deutschland 1,462 Millionen internationale Ankünfte weltweit verzeichnet – eine Veränderung zum Vorjahr von +3,8 Prozent. Die Veränderung von Reisenden aus Asien/Pazifik betrug +3,7 Prozent (Quelle: UNWTO). Die Anzahl der Übernachtungen chinesischer Reisender sank von 3,02 Mio. im Jahr 2018 auf 2,91 Mio. im Jahr 2019. Aber was sagen diese Zahlen aus? Welche Relevanz haben „arrival numbers“, wenn gleichzeitig die Aufenthaltsdauer sinkt? 2019 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Chinesen in Deutschland 1,8 Nächte. Zehn Jahre zuvor waren es noch 2,1 (!)
“Das Ziel ist nicht, die Zahl der chinesischen Ankünfte in Deutschland zu verdoppeln.
Prof. Dr. Wolfgang Georg Arlt
Es wäre viel sinnvoller zu sagen, wir wollen die Aufenthaltsdauer verdoppeln.
Wenn wir die gleiche Menge Gäste haben, die doppelt solange bleiben, dann ist das ökologisch und ökonomisch und für die Zufriedenheit der Gäste (…) sicherlich besser, als wenn man sagt, wir haben jetzt zwar doppelt soviele Ankünfte, aber die bleiben nur noch 1,6 Nächte…“
Weshalb bleiben die Reisenden nicht länger? Haben wir nicht die passenden Angebote? Wissen wir nicht, wie “die Chinesen ticken”? Ist der Schwerpunkt des Auslandsmarketings für den deutschen Markt falsch austariert? Ist die deutsche Tourismus-Branche falsch beraten?
Suboptimales Marketing
Eventuell ist es ein wenig von allem, was auch an der fehlenden Kenntnis des veränderten Reiseverhaltens, der Wünsche und Erwartungen chinesischer Gäste liegen könnte. Und an „suboptimalen“ Marketingmaßnahmen: Man solle doch bitte damit aufhören, „das ganze Geld dafür auszugeben, irgendwelche Wechat-Accounts aufzumachen oder teure Videos zu drehen, die dann in China doch keiner anschaut, oder nur 10.000 Leute, was ich China nichts ist“, mahnt Prof. Arlt im Interview. Wenn man in China erfolgreich sein wolle, dann sei das Zauberwort „recommendation marketing“.
Der Tiger muß gelockt werden. Rechtzeitig und richtig. Wie das genau geht, erklärt Prof. Arlt im Interview – hier zu hören im Upgrade Hospitality Podcast.
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