Montréal en Lumière

Montréal en Lumière – Kultevent bei Minusgraden

– Ein Gastbeitrag von Sabine Loeprick –

Es ist knackig kalt – aber Sonne und strahlend blauer Himmel machen das mehr als wett. Montréal, die kanadische Metropole am Lorenzstrom zeigt sich in Feierlaune, passend zum Festival Montréal en Lumière („Montréal im Licht“). Rund drei Wochen lang werden dabei zentrale Plätze aber auch weniger bekannte Aufführungsorte der 4-Millionen-Stadt (Metropolregion, Anm. der Red.) bespielt – mit Musik, Tanz, Theater und Zirkus. Rund 600 Künstler sind bei jeder Ausgabe dabei – das Spektrum reicht vom Bachkonzert über Motown und Soul bis hin zu Poetry Slam und Improvisationstheater – von internationalen Stars bis zu Nachwuchstalenten. Seinen Höhepunkt findet das Festival in der sogenannten Nuit Blanche – einer Nacht, in der hunderte von Kulturacts in der gesamten Stadt zu erleben sind – fast alle bei freiem Eintritt.

Montréal en Lumière

©Frédérique Ménard-Aubin

Nuit Blanche – Höhepunkt des Festival Montréal en Lumière

Eisschollen treiben auf dem Sankt-Lorenz-Strom, der Atem wird zu Dampfwölkchen. Angesichts von minus 10 Grad am Nachmittag beschließe ich, den Kulturmarathon erst mal gastronomisch einzuläuten. Denn an Montréal en Lumière beteiligen sich auch zahlreiche Restaurants und Cafés – von der Spitzengastronomie  bis zur kleinen „Eatery“. Dabei gibt es eigens kreierte Menüs oder Kooperationen mit Sterneköchen aus allen Teilen der Welt. Oder eben kleine Festivals, bei denen es um verschiedenste Facetten eines Produkts geht. Wie beim „Festival du Cidre“, das im schummrigen Souterrain des Bürohauses-und Shoppingcenters Complexe Desjardins residiert.

Montréal en Lumière

(c)Benoit Rousseau

Dutzende Produzenten aus ganz Québec haben hier ihre Produkte aufgebaut – Cidre in allen Geschmackssorten aber auch Ahornsirup, -konfitüren und –gebäck, Öle und Tapenaden. Pierrette Bisson lässt mich ein Löffelchen einer dunklen zähen Flüssigkeit kosten. Ist das auch Ahorn? Nein, lacht die kurzhaarige Frau – und antwortet im breitesten Québequois. Es handle sich um „sirop de bouleau“- Birkensirup also.

“Birkensirup herzustellen, das ist eine über tausend Jahre alte Tradition in der Region, die von den Ureinwohnern stammt. Die kannten Ahornsirup ebenso wie den der Birke. Allerdings gibt es bei der Produktion einen großen Unterschied- und damit auch im Preis. Um einen Liter Ahornsirup herzustellen benötigt man etwa 40 Liter Wasser – bei unserem Birkensirup sind es 170 Liter” (Pierrette Bisson)

Ein ganz spezifischer Geschmack entfaltet sich, süß, aber herb zugleich – definitiv etwas gewöhnungsbedürftig. Mit dem Geschmack kanadischer Birke auf der Zunge geht’s raus  in die Kälte – es ist Zeit für ein Treffen mit Mikhael Frascadore.

Er ist der künstlerische Leiter von „Illuminart“, das mehrere Wochen lang Häuserfassaden, Büroblocks, kleine Parks und versteckte Innenhöfe in Kunstwerke verwandelt. Dank Projektionen oder Lichtinstallationen, oft auch von den Zuschauern über Bewegungssensoren zu steuern. Poetische Landschaften entstehen so an Orten, die im Alltag eher prosaisch sind – tagsüber vom Verkehr umtost, am Abend und nachts geradezu märchenhaft.

“Wenn man sich auf den Parcours zu den verschiedenen Lichtkunstwerken macht, dann gibt es einige, die für die ganze Familie gedacht sind, die sind eher spielerisch. Dann gibt es Interaktives und natürlich Arbeiten, die zum Nachdenken anregen sollen. Und ja, natürlich hat jeder einen anderen Blick – das merke ich immer wieder, wenn ich mit den Zuschauern diskutiere. Manchem gefällt ein Werk gut , ein anderer findet es hingegen absolut unverständlich – was der Eine als Spielerei abtut, findet der andere tiefsinnig – also, man hat das gesamte Spektrum” (Mikhael Frascadore)

Mikhael lotst mich zu einem seiner Lieblingskunstwerke – „Passage“, ein Lichttunnel, der erst beim Betreten Segment für Segment zu leuchten beginnt.

©Frédérique Ménard-Aubin

Wie praktisch, dass wir hier vor dem Eingang zur Metro stehen. Für nur fünf kanadische Dollar kann man sie die ganze Nacht über nutzen, um zu den verschiedenen Veranstaltungsorten der Nuit Blanche zu fahren, gerade bei den eisigen Temperaturen die beste Public-Transport-Variante.

Ich entscheide mich erst einmal für einen Abstecher ins Musée des Beaux Arts, nur ein paar U-Bahn-Stationen weiter. Ein volles Foyer, lange Schlangen an der Garderobe. Doch dann geht es – heute kostenlos – in die vielumjubelte Miró-Ausstellung. Den ganzen Abend über gibt‘s immer wieder Führungen – und ein Kreativprogramm. Überhaupt, das Mitmachen spielt bei der „Nuit Blanche“ eine große Rolle. In einer Galerie unweit des Museums werde ich Teil einer interaktiven Installation – ein filmender Künstler bringt die Besucher auf eine Leinwand und untermalt das mit elektronischem Sound. Im Musée McCord nehme ich an einem Designwettbewerb zum Thema Sixties-Mode teil – leider ohne Erfolg. Und im „Agora de la Danse“ kann jeder der möchte, an einer „Dance Battle“ teilnehmen – das Zuschauen ist aber mindestens genauso spannend. Stunden später habe ich tatsächlich nur einen Bruchteil all jener Performances, Lesungen, Konzerte und Miniworkshops besucht, die ich mir auf der  „Nuit Blanche“-App vorgemerkt hatte. Aber egal, die „längste Nacht Montréals“ findet ja ebenso wie das Festival Montréal en Lumière jedes Jahr wieder von Neuem statt.

Montréal en Lumière

©Frédérique Ménard-Aubin

Montréal en Lumière

©Sabine Loeprick

Das diesjährige Festival Montréal en Lumière findet vom 22. Februar bis zum 4. März statt- die „Nuit Blanche“ am 3.März. www.montrealenlumiere.com.

©Sabine Loeprick

 

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