Korallenbleiche gut erklärt – ist das Great Barrier Reef noch zu retten?
Zur Zeit erlebt das Great Barrier Reef die dritte Massen-Korallenbleiche innerhalb von fünf Jahren. Aber was genau ist Korallenbleiche?
Der leitende Meeresbiologe der Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA), Dr. David Wachenfeld, erklärt sehr anschaulich in einem Video (siehe weiter unten im Text) die Korallenbleiche und beantwortet die wichtigsten Fragen:
Was ist Koralle? Was ist Korallenbleiche? Was verursacht die Korallenbleiche? Und können sich gebleichte Korallen wieder erholen?
Korallenbleiche von Experten erklärt
Außerdem werden in diesem Text neun Thesen zur Korallenbleiche behandelt und weitere Fragen beantwortet. Zum Beispiel welche Schutzmaßnahmen es gibt und was Urlauber gezielt tun können, um Korallenriffe zu schützen.
Korallenriffe sind empfindliche Ökosysteme, die nur unter bestimmten Bedingungen gedeihen können. Ist das Wasser zu warm, kommt es zu Stresssituationen. Der Meeresbiologe Gareth Phillips von Reef Teach in Cairns vergleicht die steigenden Wassertemperaturen mit der Körpertemperatur bei Menschen:
Wenn die Wassertemperatur schon 1 Grad über dem Normalwert liegt, dann setzt das den Korallen zu. Genau wie bei Menschen. Haben wir eine erhöhte Körpertemperatur, fühlen wir uns nicht fit. Sinkt sie wieder, geht’s uns besser
Riff-Experte Gareth Phillips
Einen solchen Temperaturanstieg hat zuletzt das weltgrößte Riff vor der Nordostküste Australiens, das Great Barrier Reef, erlebt. Der australische Sommer 2019/2020 war der zweitwärmste seit den Wetteraufzeichnungen in Queensland.
Vor allem im Februar und März 2020 sorgten diese Bedingungen für erhöhte Wassertemperaturen – es kam folgerichtig zur Korallenbleiche. Es ist das dritte „Coral Bleaching“ innerhalb von fünf Jahren. Das bereitet Wissenschaftlern und Umweltschützern Sorge: Den Korallenbänken fehlt zunehmend die Zeit zur Regeneration. Eine dauerhafte Schädigung und das Absterben des Ökosystems wird befürchtet.
Aber was genau ist eine Korallenbleiche? Ist das Riff wirklich tot? Sowohl im folgenden Video als auch auf der neuen GBRMPA-Website wird ganz genau geschildert, ob sich gebleichte Korallen wieder erholen können.
Was ist eine Koralle?
Korallen sehen zwar wie Pflanzen aus, sind aber Tiere. Neben Weichkorallen findet man im Great Barrier Reef vor allem Steinkorallen. Sie können große Korallenriffe bilden. Im Laufe ihres Lebens scheiden Steinkorallen Kalk aus.
Wenn eine Koralle stirbt, bleibt der Kalk bestehen und wird wieder von neuen Korallen besiedelt. In erster Linie bekommen sie ihre Nahrung von den Algen, die in den Korallen leben.
Die Algen verleihen den Korallen auch ihre bunten Farben. Da die meisten Algen braun oder grün sind, haben auch die Korallen diese Farben.
Was ist eine Korallenbleiche?
Als Korallenbleiche wird das Verblassen der farbigen Steinkorallen bezeichnet – eine Stressreaktion der Korallen auf zu hohe Wassertemperaturen.
Bei zu warmem Wasser stoßen Korallen die in ihnen wachsenden Algen aus. Die Algen produzieren in dieser Zeit nämlich Stoffe, die für die Korallen schädlich sind. Die Korallen verfärben sich daraufhin meist weiß.
Neun Thesen – richtig oder falsch?
Gebleichte Korallen sind tote Korallen
Falsch! Gebleichte Korallen sind nicht tot. Zumindest bei leicht oder mäßig gebleichten Korallen besteht eine gute Chance, dass sie überleben und sich wieder erholen – wenn sie dafür genügend Zeit haben. Noch trifft das auf die meisten betroffenen Riffabschnitte im Great Barrier Reef zu.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie es binnen weniger Monate schaffen, wieder Algen bei sich anzusiedeln. Das geschieht meist, wenn die Wassertemperaturen wieder sinken.
Das Great Barrier Reef ist tot
Falsch! Das „größte Aquarium der Welt“ beheimatet mehr als 1.600 Fisch- und 600 Korallenarten und besteht aus rund 3.000 Einzelriffen, die sich über 14 Breitengrade erstrecken. Es ist mehr als 2.300 Kilometer lang und dehnt sich auf einer Fläche von rund 344.400 Quadratkilometern aus – das entspricht in etwa der Größe Deutschlands (357.386 km²) !
Berichte über „Coral Bleaching“ implizieren bei vielen Menschen Endgültigkeit. Riffe können zwar jetzt stark betroffen sein, erholen sich jedoch oft wieder. Aber eben auch nicht immer, und das bereitet zunehmend Sorgen.
Bleichen ist ein natürlicher Prozess, das Riff erholt sich
Richtig und falsch! Das Bleichen von Korallen ist eine Stressreaktion, und einzelne Korallenkolonien leiden jeden Sommer unter einem gewissen Grad an Bleiche. Dies ist ein natürlicher Prozess und nicht von besonderer Bedeutung.
Extrem hohe Wassertemperaturen verursachen allerdings eine Massenbleiche. Da sich die Erde und ihre Ozeane durch den Klimawandel erwärmen, werden die Hitzewellen im Meer und die damit verbundene Korallenbleiche immer schwerwiegender und häufiger. Ein natürlicher Erholungsprozess des Riffs ist dann kaum mehr möglich. Die Korallen drohen abzusterben.
In diesem Jahr kam es zu einer Massenkorallenbleiche
Richtig! Im australischen Sommer 2019/2020 hat eine Massenbleiche am Riff stattgefunden. Hierbei stützt sich die GBRMPA auf die aktuellen Beobachtungen im Wasser und aus der Luft und beruft sich zudem auf verschiedene wissenschaftliche Erkenntnisse.
Das diesjährige Bleichen der Korallen ist auf den „Hitzestress“ der Tiere zurückzuführen, den sie bei den hohen Wassertemperaturen zwischen Mitte Februar und Mitte März erlitten haben.
In diesem Zeitraum lag die Wassertemperatur bei über 30 Grad Celsius – gewöhnlich sind es zu dieser Zeit lediglich 27 bis 28 Grad Celsius.
Das ist die schlimmste Korallenbleiche aller Zeiten
Falsch! Von 1.036 Riffen, die von Wissenschaftlern aus dem Flugzeug untersucht wurden, wiesen 40 Prozent keine beziehungsweise nur unerhebliche Bleichen auf, 35 Prozent mäßige Bleichen und 25 Prozent heftige Bleichen.
Basierend auf diesen Zahlen ist das Ereignis 2020 zwar nicht so schlimm wie jenes im Jahr 2016, dafür waren nun aber auch teilweise Gebiete betroffen, die bisher verschont geblieben waren.
Luftaufnahmen geben gute Erkenntnisse
Richtig! Luftaufnahmen sind zuverlässig. Gebleichte Korallen färben sich hell weiß, und dies ist vom Himmel aus sehr gut sichtbar. Die Flüge erfolgen in einer geringen Höhe, bei langsamer Geschwindigkeit und bei Ebbe.
Eine wesentliche Einschränkung von Luftaufnahmen besteht aber darin, dass sie Korallen nur im flachen Wasser und einer Tiefe von maximal fünf Metern zuverlässig vermessen können. Die Ausmaße einer Bleiche nehmen im Allgemeinen mit zunehmender Tiefe ab.
Aber angesichts der Größe des Great Barrier Reef (344.400 Quadratkilometer) sind Vermessungen aus der Luft die einzige Möglichkeit, einen großen Bereich des Riffs abzudecken.
Neben den Luftaufnahmen werden auch Beobachtungen von Meeresbiologen und Wissenschaftlern sowie Erkenntnisse aus dem „Eye on the Reef“-Programm hinzugezogen, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
Die meisten für den Tourismus genutzten Riffe sind nicht betroffen
Richtig! Die von Urlaubern besuchten Riffabschnitte weisen keine oder lediglich eine mäßige Bleiche auf. Viele Touren-Anbieter tragen zudem regelmäßig zum „Eye on the Reef“-Programm bei, das der GBRMPA einen aktuellen Lagebricht über den Zustand der Riffe bietet.
Weltweit sind alle Korallenriffe betroffen
Richtig! „Coral Bleaching“ betrifft nicht nur die australischen Riffe. Es ist ein globales Problem (siehe: Malediven – Das Korallenriff aus dem 3D-Drucker). Fast überall haben Korallenriffe mit den Klimaauswirkungen zu kämpfen. Wenngleich es in anderen Ozeanen auch Korallenarten gibt, die robuster sind.
Laut den Vereinten Nationen könnten 90 Prozent aller Korallen auf der Welt absterben, wenn die Temperaturen global um 1,5 Grad Celsius steigen.
Es kann nichts unternommen werden, um das Bleichen zu stoppen
Falsch! Der Klimawandel ist nach wie vor die größte Gefahr für das Riff. Es ist unerlässlich, weltweit eine Emissionsreduzierung zu erzielen und weitere lokale Maßnahmen zu ergreifen.
Auch wenn die australische Regierung noch immer auf Kohle-Förderung und –Verstromung setzt, will sie mit finanziellen Mitteln und zahlreichen Umweltschutzprogrammen zur Erhaltung des Great Barrier Reef beitragen.
Und auch Urlauber können mithelfen, das Riff und seine Bewohner zu schützen – siehe nachfolgend eine Auswahl an Schutzmaßnahmen und Vorschlägen.
So können Urlauber konkret mithelfen
Reef Permit: Wer das Riff besucht, tut Gutes
Im Jahr 1975 hat die australische Regierung die Great Barrier Reef Marine Park Authority (GBRMPA) ins Leben gerufen. Die Behörde mit Sitz in Townsville, Queensland soll das größte Korallenriff der Erde schützen. Es zählt zu den weltweit „am besten kontrollierten Riffen“.
So werden beispielsweise den Touren-Anbietern nur spezielle Riffabschnitte zugeteilt und spezielle Schutzzonen ausgewiesen, in denen Fischerei verboten ist. Ein ebenso wichtiges Anliegen der GBRMPA ist die Aufklärung: So sollten Urlauber auf nachhaltige Tourismusangebote zurückgreifen, beim Schnorcheln oder Tauchen keine Korallen berühren und sich beim Segeln an die Ankervorschriften halten.
Jeder Urlauber, der mit einem zertifizierten Bootsunternehmen das Riff besucht, tut Gutes. 7 Australische Dollar (AUD) – umgerechnet etwa 4 Euro – werden vom Tour-Preis automatisch an die GBRMPA abgeführt.
Die Gelder des „Reef Permit“ (Environmental Management Charge) werden für Bildung, Forschung und Riffschutz verwendet. www.gbrmpa.gov.au
Eye on the Reef: Urlauber als Meeresforscher im Einsatz
Einen Tagesausflug ans Riff unternehmen und gleichzeitig Forschungsarbeit leisten – in Queensland können Touristen das Angenehme mit dem Nützlichem verbinden. Mit Unterstützung von Experten gehen die Teilnehmer auf Schnorchel-Safari und notieren auf einer Schreibtafel ihre Funde.
Die gesammelten Daten werden danach an die GBRMPA weitergeleitet. Alle Infos sind hilfreich für das „Eye on the Reef“-Programm, das die Meeresbehörde ins Leben gerufen hat. Alle erhobenen Daten werden wissenschaftlich ausgewertet und geben Aufschluss über die Gesundheit des sensiblen Ökosystems.
Über die „Eye on the Reef“-App kann jeder Besucher des Korallenriffs sogar eigene Fotos hochladen und somit einen weiteren Beitrag zu dessen Schutz leisten.
In Queensland gibt es aktuell über ein Dutzend Touren-Anbieter, die mit „Eye on the Reef“ zusammenarbeiten: www.gbrmpa.gov.au/our-work/eye-on-the-reef
Insel-Forschungsstationen besuchen
Verschiedene Universitäten unterhalten auf einigen Inseln im Great Barrier Reef große Forschungsstationen. Neben den Korallen und Fischen werden je nach Insel auch saisonal andere Tiere untersucht (zum Beispiel Buckelwale, Mantarochen, nistende Schildkröten sowie die vielen Vogelarten, die auf manchen Inseln brüten).
Die „Marine Research Stations“ findet man unter anderem auf Heron Island, North Stradbroke Island und Lady Elliot Island (University of Queensland), auf Orpheus Island (James Cook University) und Lizard Island (Australian Museum). Inselbesucher können den jeweiligen Forschungsstationen einen Besuch abstatten.
Master Reef Guides: Die neuen Riff-Botschafter treffen
„Master Reef Guides“ sind Meister ihres Fachs. Niemand kennt sich mit der Unterwasserwelt besser aus. Die „Riff-Botschafter“ vermitteln Urlaubern viel Wissen über das Great Barrier Reef, erzählen spannende Geschichten rund um das Weltnaturerbe und erklären, was Urlauber tun können, um es besser zu schützen.
Queensland-Reisende treffen die Riff-Experten auf mehreren Inseln, an Bord vieler Ausflugsschiffe und bei Reef Teach in Cairns:
www.gbrmpa.gov.au/our-partners/master-reef-guides
#LoveTheReef : So kann ich das Riff schützen
Dieses Video gibt Auskunft:
Diese Maßnahmen setzt die Regierung um
Reef Trust Partnership
Die Regierungen Australiens und Queenslands haben mit dem „Great Barrier Reef Intergovernmental Agreement“ ein langfristiges Abkommen unterzeichnet.
Ziel ist es, das weltgrößte Korallenriff noch besser zu schützen. Zusätzlich hat die australische Regierung vor zwei Jahren mit der „Reef Trust Partnership“ die bisher größte Investition in den Schutz von Riffen angekündigt.
Der „Reef 2050 Plan“ sieht eine Zusammenarbeit mit der Great Barrier Reef Foundation in Höhe von 443 Millionen AUD (257 Millionen Euro) zur Finanzierung neuer und bestehender Projekte vor. www.barrierreef.org
Ehrgeiziges Wolken-Experiment
Eines der neuesten Experimente zeigt nach Angaben der beteiligten Forscher erste positive Ergebnisse: Mit Hilfe von „aufgehellten“ Wolken haben Wissenschaftler versucht, das Meerwasser am Korallenriff abzukühlen.
Dafür wurden die Wolken über dem Riff durch die Infusion von Meersalzkristallen künstlich aufgehellt, um die Sonnenstrahlen besser ins All zu reflektieren.
Das Salz gewannen die Wissenschaftler aus dem Meer: Mit einer umgebauten Turbine schossen sie Milliarden feiner Salzwassertropfen vom Schiff in die Luft.
www.youtube.com/watch?time_continue=54&v=B0KeUlvWakg&feature=emb_logo
Bekämpfung des gefräßigen Dornenkronen-Seesterns
Gefräßige Seesterne setzen dem Great Barrier Reef zu. Dank eines speziellen „Kontrollprogrammes“ konnte die GBRMPA die Dornenkronen-Plage nun eindämmen.
Spezielle Unterwasser-Roboter, die einem Mini-U-Boot ähneln, werden per Tablet durch komplexe Korallenriffe navigiert und können dort Dornenkronen-Seesterne aufspüren. Dann schießt der Apparat eine tödliche Injektion aus Essig oder Gallensalz auf den Seestern – das Riff bleibt dabei unversehrt.
Weitere Maßnahmen
– Laufende Patrouillen auf dem Wasser, aus der Luft und an Land. Hierbei wird überprüft, ob alle Regeln der GBRMPA eingehalten werden.
– Intensive Zusammenarbeit mit Australiens Ureinwohnern. Aborigines leben schon seit Jahrtausenden (und auch heute noch) im Einklang mit der Natur. Hier kann das traditionelle Wissen die moderne Forschung ergänzen.
– Unterstützung von Riff-Restaurierungen wie die Ansiedlung von Korallenlarven und das Sammeln von Korallenlaich. Forschern war es gelungen, am Great Barrier Reef neue Korallen anzusiedeln.
Die Wissenschaftler hatten große Mengen an Korallenlaich vor Heron Island im südlichen Teil des Great Barrier Reef gesammelt und in Tanks ausgebrütet. Mehr als eine Million geschlüpfte Larven transplantierten sie anschließend in beschädigten Gebieten des Riffs.
Ein knappes Jahr später fand das Forscherteam dort junge Korallen vor, die den Umzug überlebt haben und im Schutz von Unterwassernetzen gewachsen waren.
Quellen: GBRMPA, queensland.com, Australian Government Department of Agriculture, Water and Environment
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